Schlange, Löwe, Elefant, Kamel…

„Tierische“ Projekte im Dialog der Weltreligionen

Grundschulkinder erforschen die Bedeutung der Tiere in verschiedenen Religionen

 

Wie groß ist ein Walross © Sybille Ekrut
Wimmelbild mit Quizfragen © Sybille Ekrut
Welches Tier lebt wo © Sybille Ekrut
Tieryoga in der MBS © Sybille Ekrut
Skizzen von Elefanten © Sybille Ekrut
Tierschutzvertrag © Sybille Ekrut
Religiöse Symbole © Sybille Ekrut
Gemeinschafts-Collagen © Sybille Ekrut
Ideen zum Tier-Naturschutz © Sybille Ekrut
Fuer welche Religion steht dies Symbol © Sybille Ekrut
Fortbildung der Multiplikatorinnen von Family Literacy © Sybille Ekrut
Ein indischer Schüler erzählt die Legende von Ganeesha © Sybille Ekrut
Elefanten und ihre Pfleger bilden eine Gemeinschaft © Sybille Ekrut
Die Pagode bei Hagenbeck © Sybille Ekrut
Die geniale Tarnung der Zebras © Sybille Ekrut
Das finde ich gut an Zoos © Sybille Ekrut
Das finde ich schlecht an Zoos © Sybille Ekrut
Artenschutzabkommen © Sybille Ekrut
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Danksagung

 Die Gustav Prietsch Stiftung hat seit September 2022 dieses Projekt in verschiedenen Hamburger Grundschulen in Zusammenarbeit mit der Zooschule im Tierpark Hagenbeck in drei Tranchen finanziell unterstützt. An dieser Stelle sei dafür ein großer Dank aller beteiligten Schüler*innen und Pädagog*innen ausgesprochen.

Vorwort

Wir leben auf einem sehr vielfältigen Planeten und viele Menschen haben schon seit jeher darüber nachgedacht, welche Aufgaben der Mensch auf der Welt hat. In diesem Projekt soll erforscht werden, was in den Schriften unterschiedlicher Religionen zu diesem Thema zu finden ist. Auf einem Erkundungsgang im Zoo setzen sich die Schüler*innen mit der Frage auseinander, welche Verantwortung der Mensch im Umgang mit der Schöpfung hat, und was sie persönlich dazu tun können und verantworten müssen.

In der Bibel begegnet uns ein ganzer Zoo. Die Schlange verführt im Paradies zur Sünde und wird das schlechte Image nie mehr los. Vor der Sintflut rettet Noah die Tiere gemäß seines göttlichen Auftrags und Ochs und Esel machen im Stall von Bethlehem Karriere (im Übrigen zu Unrecht, denn sie werden in diesem Zusammenhang in keiner Schrift namentlich genannt). Die Hindus verehren Götter in Tiergestalt, vergöttern aber keine Tiere. Die Kuh ist ihnen heilig, weil sie dem Menschen alles geben kann, was er zum Überleben braucht. Die Hindus glauben an die Wiedergeburt und – je nach Karma – kann das in Gestalt jedes Lebewesens sein. Der Prophet Mohammed war ein wahrer Tierfreund (Hunde ausgenommen). Im Islam haben die Tiere eine Seele und ein Leben nach dem Tod. Wenn also der Heilige Franz von Assisi die Tiere seine Schwestern und Brüder nennt, so versteht man das überall auf der Welt:

„Alle Geschöpfe der Erde fühlen wie wir, alle Geschöpfe streben nach Glück wie wir. Alle Geschöpfe der Erde lieben, leiden und sterben wie wir, also sind sie uns gleichgestellte Werke des allmächtigen Schöpfers – unsere Schwestern und Brüder. “

 Franz von Assisi

„Umweltschutz ist auch eine Glaubensfrage. Die Tiere auf unserem Planeten brauchen verzweifelt Hilfe, da wir sie unerträglichen Misshandlungen aussetzen und stetig die Umwelt zerstören und verschmutzen. Wir brauchen eine Verbindung zu den Tieren und der Welt der Natur für unsere spirituelle Entwicklung.“

Jane Goodall

Religionswissenschaftliche  Sachinformationen

Überkonfessionelle Forschungen kommen zunehmend zu dem Ergebnis, dass die verschiedenen Religionen ein wesentliches Potenzial im Tier- und Naturschutz darstellen. Auf nationaler wie internationaler Ebene – wie z.B. von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit  –  werden Religionen zunehmend als Ressource für eine bessere und nachhaltigere Zukunft erkannt und im Kampf für den Umweltschutz konkret hinzugezogen.

Auch Forschungsergebnisse der Verhaltens- und Evolutionsbiologie zeigen längst, dass die Grenzen zwischen Menschen und Tieren fließend sind. Die gesamte Forschung deutet darauf hin, dass das Weltbild vom Menschen als wichtigstem Geschöpf auf diesem Planeten einem Wechsel der Perspektive Raum geben muss.

Gelingt es, die verschiedenen Religionen im Kontext umwelt- und tierethischer Werte und daraus resultierender Fragestellungen einzubeziehen, wird eine ideale Plattform für ein toleranteres Miteinander geschaffen, ein Potenzial für ein interreligiöses Wir-Gefühl im Hinblick auf die Bewahrung der Schöpfung.

In Münster arbeitet an der Westfälischen-Wilhelms-Universität das Institut für Theologische Zoologie – ergänzend zur theologischen Anthropologie – an einer theologischen Zoologie. Es wird dort interdisziplinär und überkonfessionell geforscht. Ein gegenwärtiger Schwerpunkt liegt darin, das Wissen der drei monotheistischen Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam zum Mensch-Tier-Natur-Verhältnis sichtbar zu machen. Das Zentrum für Islamische Theorie an der WWU Münster und das Institut für jüdische Theologie an der Universität Potsdam haben zusammen ein viel beachtetes Pilotprojekt entwickelt: „Schöpfung erfahren – Interreligiöse Umweltbildung im Nationalpark Eifel“. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert entsprechende Projekte. Die meisten dieser Vorhaben richten sich vorrangig an Erwachsene. Die in diesem Kontext wichtigsten Akteur:innen überhaupt – die Kinder und Jugendlichen –  werden häufig vernachlässigt oder kommen gar nicht vor. Dabei werden gerade die Kinder und Jugendlichen für die Bewahrung der Schöpfung in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Ihnen wird die Verantwortung für den Schutz unseres Planeten auferlegt werden und sie sollten gut gerüstet für die Bewältigung dieser immensen Aufgabe sein. Umweltschutz ist auch eine Glaubensfrage!

 

Religionsunterricht in Hamburg

Die Vielzahl der Religionsgemeinschaften in Hamburg sowie deren innere Vielfalt spiegeln sich sehr unterschiedlich in der Zusammensetzung der Lerngruppen und im regionalen Umfeld der Schulen. In Hamburg hat der dialogische Religionsunterricht für alle eine lange Tradition und wird von einem großen Konsens getragen.

Ein verbindlicher Themenbereich im Religionsunterricht der Grundschule trägt die Überschrift „Schöpfung“:

  • Was macht die Schönheit unserer Erde aus?
  • Wie kann ich die Schöpfung mit allen Sinnen wahrnehmen?
  • Wodurch ist die Schöpfung gefährdet?
  • Wie kann ich mich für die Schöpfung einsetzen und sie bewahren?
  • Wie stellen unterschiedliche Schöpfungserzählungen den Anfang der Welt dar?
  • Welche Rolle haben Menschen, Tiere, Natur, Gott und Göttliches in den Erzählungen?
  • Was macht den Menschen aus?
  • Warum frag(t)en Menschen nach dem Anfang der Welt?

 

Die Kinder sollen anhand dieser Leitfragen „die eine geschaffene Welt in ihrer Schönheit und Gefährdung“ kennen lernen, sich ein eigenes Urteil dazu bilden, ihre Erkenntnisse in Beziehung zu ihrer persönlichen Lebenswirklichkeit setzen sowie Gemeinsames und Unterschiedliches in den Religionen und Kulturen zum Ausdruck bringen können – so steht es im Rahmenplan Religion.

 

Didaktische Begründung

Es herrscht sicher Übereinstimmung darüber, dass Kinder von Anfang an Respekt im Umgang mit der Natur entwickeln und einen Maßnahmenkatalog zum nachhaltigen Schutz unserer Umwelt kennen und anzuwenden lernen sollten.

Eine solche (auch spirituelle) Haltung zu fördern und zu unterstützen ist schon lange nicht mehr nur ein Anliegen der Naturpädagogik sondern findet sich verstärkt auch in der Religionspädagogik.

Das beantragte Projekt „Schlange, Löwe, Elefant, Kamel – Tiere im Dialog der Weltreligionen“ bietet viele pädagogische Möglichkeiten, dem Ziel einige Schritte näher zu kommen.

Tiere nehmen in der emotionalen Welt von Kindern einen wesentlichen Platz ein. Im direkten Kontakt mit den Tieren wird die Welt des Staunens, des Respekts gegenüber den Mitgeschöpfen, die gleichzeitig ganz nah und ganz anders sind eröffnet. So können die Kinder für einen achtsamen Umgang mit den Tieren und ihren Eigenheiten sowie Bedürfnissen sensibilisiert und damit in ihrer Entwicklung zu einfühlsamen und verantwortungsvollen Menschen unterstützt werden.

Großstadtkinder haben wenig Kontakt mit Tieren außer vielleicht mit ihren kleinen Haustieren wie Meerschweinchen, Katzen oder Hunden. Die meisten haben noch nie ein Huhn gefüttert, ein Schaf gestreichelt, geschweige denn sind sie echten Rindern oder Büffeln begegnet. Wie in vielen Großstädten gibt es auch in Hamburg einen Tierpark, in dem spannende Live-Begegnungen mit Tieren aus aller Welt stattfinden können. Leider können nicht alle Kinder selbstverständlich den Tierpark Hagenbeck besuchen. Da der Zoo ohne staatliche Zuschüsse wirtschaftet, entstehen recht hohe Eintrittskosten, die von Familien mit knappen Finanzen nicht aufgebracht werden können.

 

Inhalte und Organisation

Ein besonders wichtiger Aspekt des Projekts ist, dass die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit erhalten sich selbst intensive Gedanken zu dem Thema (und „ihrem“ Tier) zu machen. Für jedes Kind soll eine echte Möglichkeit zur Auswahl seines Tiers und zur Bearbeitung seiner Forscherfragen bestehen. Dabei können im Laufe der Forscherarbeiten kleine Gruppen gebildet werden, in denen sich die Kinder gegenseitig unterstützen . Sinnvoll sind in diesem Zusammenhang natürlich „überkonfessionelle“ Gruppen soweit das die Klassenstruktur zulässt.

In vorbereitenden Unterrichtsstunden erfolgt zu Beginn des  Vorhabens im Klassenverband ein Brainstorming zu der Frage „Welche Tiere kennst du aus deiner Religion?“ Dabei geht es in erster Linie um eine möglichst große Sammlung von Tieren.

Im zweiten Schritt werden die Tiere bestimmten Religionen zugeordnet, Vergleiche gezogen und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede herausgearbeitet. Auch die Bedeutung der einzelnen Tiere in den jeweiligen Religionen kann an dieser Stelle schon angesprochen werden.

Danach trifft jedes Kind seine Entscheidung, zu welchem Tier es gerne vertieft forschen möchte.

Auf dem Forschertag im Tierpark Hagenbeck stellen Mitarbeiter*innen der Zooschule anhand von Sakralbauten wie Pagode und der Salá, aber auch an symbolhaften Tierbeispielen die Bedeutung der Tiere in den Religionen  Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Islam, Christentum und Alevitentum vor und verknüpfen sie mit verschiedenen biologischen Perspektiven.

Anschließend bearbeiten die Kinder im Klassenverband Forscheraufträge zu den von ihnen gewählten Tieren alleine oder in kleinen Gruppen und erstellen eine individuelle Dokumentation in Form von „tierischen“ Steckbriefen, Lap-Books und Plakaten.

 

Durchführung

An dem Projekt waren seit Oktober 2022 insgesamt 15 Klassen der Grundschule Kielortallee, der Georg Kerschensteiner Schule und der Max Brauer Schule beteiligt.

Wegen der „Winterpause“ im Zoo finden die letzten Erkundungsgänge bei Hagenbeck noch derzeit in der 2. Schuljahrshälfte 2023/24 statt.

Im Rahmen umfangreicher Kooperationsgespräche hat der Leiter der Zooschule bereits vor Beginn des Projekts zugesagt, eine spezielle Führung zum Thema „Weltreligionen im Tierpark“ für Grundschulkinder zu entwickeln und anzubieten.

Die Zooschule hat mittlerweile das Thema für sich aufgegriffen und ein eigenes Programm mit dem Titel „Was kann ich tun?“ entwickelt. Dieses Programm verbindet Elemente des Religionsunterrichts mit denen aus dem Sachunterricht und ist an dem aktuellen Bildungsplan ausgerichtet.

Zeitgleich habe ich mit dem Landesinstitut Hamburg, Fachbereich Religion, Kontakt aufgenommen und mich bezüglich geeigneter Unterrichtsunterlagen und Materialien beraten lassen. Meine Recherchen haben ergeben, dass das Projektthema sehr gut schon in 3. Jahrgang passt, Schwerpunkt Schöpfungsgeschichten. Die Schulen haben es begrüßt, das Projekt bereits für 3. Klassen  zu öffnen.

Im September 2022 fand die VSK-Tagung „Vorschulische Bildung – Herausforderungen und Chancen – Religion – Mit staunenden Fragen der Welt begegnen“ im Landesinstitut Hamburg statt, an der ich zusammen mit einer Mitarbeiterin der Zooschule teilgenommen haben.

In der Zooschule wurde im Vorlauf des Projekts und während seiner Durchführung der neue religionspädagogische Erkundungsgang für Grundschülerinnen mit dem Titel „Was kann ich tun?“ entwickelt. Dabei waren auch die Feedback-Bögen für die teilnehmenden Lehrer*innen hilfreich.

Alle Zooschullehrer*innen wurden fortgebildet, den neuen Erkundungsgang durchführen zu können. Das war insofern ein spannendes Unterfangen, da de Kolleg*innen sehr gute biologische und zoologische Kompetenzen aufweisen konnten aber auch sehr unterschiedliche persönliche Vorerfahrungen, Ansichten und Kenntnisse religiöser Aspekte hatten.

Die schriftlichen Unterlagen für die Hand der Zoopädagog*innen wurden entsprechend  aktualisiert.

In enger Kooperation mit der Leitung der Zooschule und mir wurden umfangreiche Nachbereitungs-Bögen zum Erkundungsgang „Was kann ich tun?“ erstellt, die den Lehrer*innen und Schüler*innen nach der Veranstaltung zur Verfügung stehen und digital abgerufen werden können.

Weitere Erkundungsgänge bei Hagenbeck mit den Titeln „Tiere kennenlernen und zeichnen“ oder „Bedrohte Tiere – Artenvielfalt in Gefahr“ lassen sich sehr gut mit den Inhalten des Projektthemas verknüpfen.

Im Juni habe ich im Rahmen des Landesinstituts eine Fortbildung für Multiplikatorinnen des Hamburger Sprachförderprogramms „“Family Literacy“ im Tierpark durchgeführt. Diese Veranstaltung war sehr gut besucht, da das Thema außerordentlich passend für alle Schüler*innen der FLY-Gruppen in den Schulen ist. Auch Kinder, die noch wenig Deutsch sprechen, können sich beteiligen und ihren Beitrag zum Gelingen des Projekts leisten. Für die Teilnehmer*innen dieser Veranstaltung hat der Tierpark Hagenbeck die Eintrittskarten kostenlos zur Verfügung gestellt, vielen Dank dafür.

Man findet die neue Führung „Was kann ich tun?“ jetzt auf der Website des Zoos und kann sie im normalen Angebot der Zooschule buchen.

Es gibt eine umfangreiche Fotodokumentation aller Erkundungsgänge im Tierpark und der Vor- und Nachbereitung im Unterricht in allen Schulen sowie eine Sammlung eindrucksvoller Arbeiten von Schüler*innen. An der Realisation einer gemeinsamen Ausstellung wird noch gearbeitet.

Es ist ein schöner „Nebeneffekt“ unseres Projekts, dass die Gustav-Prietsch-Stiftung für ein neues verstetigtes kooperatives Dauerangebot für alle Hamburger Schüler*innen gesorgt hat, das  schon in der Grundschule zum interreligiösen Dialog  beitragen wird.

(21.3.2024, Sybille Ekrut, KinderKulturProjekte)